… „Wenn Künstler*innen eine bessere Welt erträumen und über Alternativen zu den bestehenden (Herrschafts-)Strukturen nachdenken, dann geht es weniger um Techno-Utopien und das ewige Leben, KI oder den künstlichen Menschen, welche in der Kunst alle eher kritisch bis dystopisch reflektiert werden, als vielmehr um gesellschaftliche Utopien: um neue Formen von Gemeinschaft, eines Zusammenlebens, das frei von Rassismus, Sexismus und Formen des Kolonialismus, frei von Normen und Gender-Grenzen ist, es geht um Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit sowie auch fokussiert um die damit einhergehende Umweltproblematik einer vom Menschen ausgebeutete Natur, deren Rettung oberste Priorität hat und unumgänglich ist, will man alle anderen Bereiche in eine bessere Welt überführen. Denn unser Leben und unser Miteinander als Gesellschaft ist untrennbar mit dem Klima und der Natur verwoben und immer auch von unserer Haltung gegenüber Tieren und allen nichtmenschlichen Einheiten betroffen. Vernachlässigt man das Gewebe an einer Stelle, so dass ein Faden sich löst, dann wird auch an anderen Stellen das Gefüge locker und schließlich auseinanderfallen. Alles hängt mit allem zusammen. Sieht man auf den langfristigen Nutzen einer bewohnbaren, gerechten Welt, so können Utopien, Pläne und Entwürfe entstehen, die im Szenario einer besseren Welt eine Welt voller Gemeinsamkeiten, neuer Möglichkeiten und Verbindungen beschreiben und entwerfen.“ 1
Utopien resultieren aus einer Kritik der jeweils zeitgenössischen Gesellschaftsordnung und können als positive Gegenentwürfe, Ideen, Hoffnungen, Pläne gelesen werden.
Letztlich bleibt festzustellen: Utopien sind so vielfältig, wie die Menschen, die sie visionieren. Auch wenn sie nicht eindeutig zu beantworten ist, so stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft (zusammen) leben wollen, angesichts der aktuellen Herausforderungen, immer dringlicher. Denn gerade die Pandemie hat uns mit aller Dringlichkeit gezeigt, dass wir eigentlich keine andere Wahl haben, als neue Strategien und Konzepte von Gemeinschaft zu entwickeln, wenn wir nicht in einem dystopischen Szenario versinken wollen. Der Stillstand, der unsere frenetische Aktivität für den Moment ausgebremst hat, der uns social distancing und zum Teil großes Unglück und Ruin aufgezwungen hat, ermöglicht uns ein Innehalten des Raum für ein Umdenken und neue Ideen eröffnet, für das Utopische. Ohne Zweifel erfordern der Klimanotstand und viele gesellschaftliche Probleme, die damit verbunden sind, aber auch unabhängig davon seit langem schwelen, keinen weiteren Aufschub, sondern sofortiges Handeln. Dennoch sind langfristige Utopien eines gesellschaftlichen Zusammenlebens, welches für alle Lebewesen wertvoll und erstrebenswert ist, und in denen es nicht um eine schnelle Umsetzung, sondern um das stetige Nachdenken über Miteinander, Nähe, Nachhaltigkeit, Frieden und Fürsorge geht, das einzige, was wirkliche Veränderung und damit schon auf dem Weg dahin eine bessere Welt ermöglicht. „… Den utopischen Begriff zu finden, das Rechte, um dessentwillen es sich ziemt zu leben, Zeit zu haben (dazu bauen wir) ins Blaue hinein und suchen dort das Wahre, Wirkliche, wo das bloß Tatsächliche verschwindet – incipit vita nova (ein neues Leben beginnt).“ (Ernst Bloch, Geist der Utopie, 1929) 2
Das Kunstprojekt ‚Tipi‘ kann erlebbar zur Konferenz sein:
Das Tipi ist ein ästhetisches Erlebnis, es repräsentiert eine Form der Transzendenz (als erlebbarer persönlicher neuer Ort mit kulturellem Gehalt) zu gesellschaftlichen Fragen, ein ‚über sich hinausdenken, anders denken, sich selbst weiter zu projizieren, ermöglicht die Fragen: ‚wohn will ich, was ist eigentlich mit mir?‘, also z.B. ein transzendentes Instrument der Selbstklärung.
Die weltweit gereisten Tipis machen liebevolle, kulturelle, Kraft spendende Orte erlebbar, können stellvertretend für eine nachhaltige Gesellschaft gelesen und erlebt werden.
Das Projekt versteht sich als Beitrag zum ‚Social Design‘, eröffnet Möglichkeitsräume, die in Resonanz gehen, visuell, mental, utopisch, kritisch.
Soziale Teilhabe muss für alle Gesellschaften/Gesellschaftsschichten gleichberechtigt gelten (für Benachteiligte, Alte, Einsame, Kranke, Schwache, Tiere, Natur, Umwelt…), alles hängt miteinander zusammen.
Wo sind wir? Wie gehen wir miteinander um? Wie definieren wir Wurzeln? Was trage ich zur Gesellschaft bei?
Im Rückschluss bedeutet es auch, dass wir spüren, wer wir sind, wo wir stehen . Es geht mit uns in Resonanz.
Die Gesellschaft wächst von unten.
Eine Gemeinschaft ermöglicht eine ‚produktive innere Tätigkeit, frei vom Habenwollen, Gier und Egoismus‘ (nach Meister Eckart).
Das ästhetische Erlebnis ist frei von Instrumentalisierung.
Nachhaltigkeit kann nur entstehen, wenn wir die Verknüpfung der Vergangenheit mit dem Jetzt und dem Ausblick, wohin wir wollen, bedenken.
„Alles was wir nicht für immer tun können, ist nun mal nicht nachhaltig!“ (Sir David Attenborough)
Das Kunstprojekt möchte eine Wertschöpfung für den Menschen ermöglichen, um die Schadschöpfung zu reduzieren.
Weiteres: https://www.ute-lennartz-lembeck.de/styled-17/styled-18/
Hans-Jürgen Müller (Mariposa, Teneriffa): „Die Rettung der Welt hängt davon ab, dass jeder Einzelne
davon ausgeht, dass es an ihm hängt.“ 3
Was ist ein Wert?
Wertephilosopophie beinhaltet die Begriffe „Wertvorstellung“, „Werterhaltung“, „Wertschöpfung“.
Eine Wertentscheidung gründet auf Werten, das Wertesystem oder die Wertordnung bezeichnet das gesamtgesellschaftlich geformte Gesamtgebilde.
Wertschöpfung kann im materiellen und ideellen Sinne verstanden werden. Sie dient nicht primär der
materiellen Gewinnermittlung, sondern ist nach sozialen Maßstäben ausgerichtet, einer Steigerung der
Lebensqualität, eine innere Bereicherung, Reifung der Persönlichkeit, ein Verständnis für immaterielle
Werte, die Unterscheidungsfähigkeit von Nutzdenken und Sinnstreben voraussetzend.
Motivationsquellenn können metaphysische, religiöse, humanistisches Denken oder eine soziale
Ausrichtung sein.
Wohlstand neu erkunden
Wohlstand kann die Chance auf ein erfülltes Leben bieten.
Nach Barbara Muracu ist Wohlstand ‚gutes Leben‘.
Die Bedingungen des Zusammenlebens selbst bestimmbar als Ziel gedacht (Beziehungen, Kultur,
Träume, Kreativität, Emotionen…).
Wohlstand ist mit Ökokollaps, unserem Wohlbefinden, unserem Leben verbunden. Wachstum muss
außerhalb des kapitalistischen Systems definiert werden.
Die Transformation mit dem was da ist, ‚mehr‘ zu schaffen, Wertschöpfung statt Schadschöpfung.
Möglichkeitsräume schaffen, die Fürsorge, Betreuung und Wertesysteme beinhalten, die die eigene
Wirksamkeit spürbar machen, in denen alle gleich sind und eine Gemeinschaft spürbar ist, eine Suchnach
einem Konsens.
Kunst und Philosophie werden über das persönliche Empfinden verbunden, das gemeinsame Arbeiten,
das persönliche Erleben, das Teilen, das zur Verfügung stellen.
(‚Erlebnisse machen glücklich‘)
Bereits 1976 skizzierte Erich Fromm in seinem gesellschaftskritischen Buch „Haben und Sein“ die
Dominanz nach Besitz, das ‚Sein‘, im Gegensatz zum ‚Haben‘, einer Haltung, in der Besitztümer keine
Rolle spielen.
Schon Meister Eckhard bezeichnete die Überwindung von Habenwollen, Gier und Egoismus als größte
Tugend, um eine innere Tätigkeit anzustreben.
Fromm bezeichnet eine Gesellschaft, die sich auf Privateigentum, Gewinn und Macht stützt, als
habsüchtig prägend für die Gesellschaftsmitglieder.
Die Identität des Einzelnen wird nicht durch das, was man ist, sondern was man hat, bestimmt.
Im Gegensatz dazu steht die produktive innere Tätigkeit der Existenzweise des ‚Seins‘, der Einsatz der
eigenen Gaben und Güter, wohl unterschieden zu bloßer Geschäftigkeit, in der der ausführende Mensch
von seiner Arbeit entfremdet ist.
Unsicherheit und Angst vor Verlust schwinden zugunsten von Sicherheit und in sich ruhen, Antagonismus
schwindet zugunsten von Solidarität, bloße Vergnügungen machen echter Freude Platz.
Social Design
Wir machen uns berechtigterweise Sorgen um die Zukunft, das Ungleichgewicht bei den Ressourcen, den
Produktionsmitteln, der Bildung, die Zukunftschancen.
Bei der Neugestaltung von sozialen Systemen muss die Welt als Ganzes gesehen werden.
Die Grenzen des Wachstums sind erreicht, wenn eine Gesellschaft unbegrenztes Fortschrittsdenken mit
der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen verbindet.
Menschenwürdiges Leben zeigt Perspektiven gesellschaftlicher und kultureller Kontexte.
Mitte des 19. Jhdts. thematisierte William Morris (Arts and Craft) bereits die Verbindung von Kunst und
Gesellschaft.Wirkliche Kunst sei : ‚… von Menschen für Menschen, eine Quelle des Glücks für den
Hersteller und Nutzer…‘
Herbert Marcuse 1979 (The Aesthetic Dimension, Macmillan, 1979, S. 32)): Kunst kann eine alternative
Sensibilität entwickeln, ein alternatives Denken und Fühlen. „Kunst kann nicht die Welt verändern, aber
sie kann einen Beitrag leisten, das Bewusstsein und den Antrieb derjenigen Männer und Frauen zu
verändern, die die Welt verändern könnten.“
‚Die soziale Plastik‘ (Joseph Beuys) versteht sich als Teil des erweiterten Kunstbegriffs. ‚Soziale
Plastik‘ verstand sich als politische Produktivkraft, die „… erst dann in vollkommener Weise in
Erscheinung tritt, wenn der letzte lebende Mensch auf dieser Erde zu einem Mitgestalter, einem Plastiker
oder Architekten am sozialen Organismus geworden ist.‘
‚Jeder Mensch ist ein Künstler‘ bezieht sich auf kreative Prozesse, an denen alle Mitglieder der
Gesellschaft teilhaben können, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. 4
Kunst/Kunstmarkt
Klimawandel in der Kunst
In der Antike ahmte die Kunst die Natur nach (Mimesis).
In der Aufklärung (auch Kant) ging es um ein gemeinsames freies Urteilen.
Im 19. Jhdt. bestand Abgrenzungsbedarf von der bürgerlichen Gesellschaft, die Autonomie zur
Selbstbehauptung des Individuums gegenüber gesellschaftlichen Interessen.
Mitte des19. Jhdt. untersuchte die Arts-and-Craft-Bewegung die Verbindung zwischen Kunst, Gesellschaft
und Arbeit, im Zeitalter der maschinellen Produktion bestand ein Bedürfnis zur Rückbesinnung auf das
Handwerk.
Die körperlich-räumlichen Gebilde der bildenden Kunst wirkten durch sich selbst, benötigten keinen
Interpreten, um vom Rezipienten wahrgenommen zu werden.
Im 20. Jhdt. , dem Ende der Adelshöfe, bezeichnete Theodor Adorno die Autonomie des Kunstwerks als
‚mühsam der Gesellschaft abgezwungen‘, damit als etwas vorübergehend Erreichtes, das von
Wissenschaftlern und Kritikern bewahrt werden sollte. Diese werrkimmanente Interpretation sollte die
gesellschaftlichen Spannungen nach dem 2. Weltkrieg überbrücken und übergehen.
Ideologische, bloße Funktionalität durch Modeströmungen, stellte das Kunstwerk in Frage.
Das Hauptaugenmerk galt der formalem Analyse, den stilistischen Zuordnungen, der Beurteilung der
ästhetischen Qualität. Nur der ikonologische Ansatz zog bei der Analyse gesellschaftliche Phänomene in
Betracht.
Friedensreich Hundertwasser: „Kunst ist die Brücke zwischen Mensch und Kultur“
Kunst als bildendes Medium öffnet neue Türen‘, bildend – gestaltend.
Als Kulturprodukt ist Kunst ausschließlich von Menschen hergestellt.
Aktuell definiert sich Kunst durch den Kunstbetrieb und den Kunstmarkt
Wie kann ein Kunst-Kulturbetrieb klimafreundlicher werden/sein?
Der internationale Kunstbetrieb setzt enorme Mengen CO2 frei (Bienalen, Messen, Festivals,
Bauten,Transporte, Material…). Durch die neuen Medien werden Ideen, vorwiegend virtuell umgesetzt.
Gigantische Summen werden mittlerweile für virtuelle Kunstwerke (NFTs) bezahlt.
Die technischen Prozesse hinter einer Blockchain verbraucht Unmengen an Strom (z.B. laut einer Studie
der University of Cambridge verbraucht der Bitcoin mehr Strom als die gesamten Niederlande), je nach Art
der Stromerzeugung mit hohen CO2 Emissionen, ein NFT hat einen CO2 Abdruck von 211 kg, soviel wie
ein zweistündiger Flug)…
Die Kunstsammlungen, die Museen, der Transport der Kunstwerke, die Ausstellung, die Lagerung -alles
gerät aus dem Ruder und dennoch ist der Kunstmarkt auf Wachstum gepolt (allein 250.000 Tonnen Beton
wurden für das Humboldt Forum in Berlin verwandt)
„Ein klassisches Paradox: Je ernsthafter das Museum seinem bewahrenden Auftrag gerecht wird, desto
schwieriger wird es, auch die Natur drum herum, die sogenannte Umwelt, zu erhalten. Das Versprechen
von Dauer produziert Verfall und Verlust in globaler Dimension.“
„Die Vorstellung von Unantastbarkeit der Kunst entspricht einem Kerngedanken moderner Ästhetik. Diese baut auf das Ideal der Autonomie, oft verstanden als Gegen- oder Überwelt, gelöst von irdischen Belangen. Hier gilt das Prinzip der Freiheit und daher ist es nicht verwunderlich, dass die Kunst munter vor sich hin expandiert, verschwenderisch im Geiste wie im Material, unbeschwert von irgendwelchen Klimasorgen. Sie ist Zweck und Problem genug, sie steht über den Dingen und also auch über der Natur.“.
In der Kunst wird die Welt zum Objekt, beliebig verfügbar.
Die wahre Welt ist immer anderswo. 5
Die Tipis als Möglichkeitsräume
Sie thematisieren die Art der Herstellung, uralte kulturelle Techniken und Fertigkeiten, das Konzept der Verbundenheit, die Symbolik.
Die selbstbestimmte barrierefreie Teilhabe steht in Beziehung zur barrierefreien Verbindung mit allen Rezipienten.
Die Aufstellung eines Tipis oder mehrerer öffnet ‚Möglichkeitsräume‘.
Es gibt immer eine Anbindung und direkte Platzierungen vor Ort, im öffentlichen Raum.
Das Tipiprojekt wird sich nach dem 50. transformieren, es werden keine weiteren neuen mehr entstehen.
Stattdessen ‚pflegen‘ die entstandenen Gemeinschaften das Bestehende, auch im Sinne, dass sich Natur und der geschaffene Raum verbinden und so den Raum auf unbestimmte Zeit schützen;
den Aspekt unterstützend, dass aus dem Bestehenden ‚mehr Wert‘ geschöpft wird …
Zudem sind alle Tippis rizomartig untereinander verbunden.
Quellenangabe:
1 Ann-Katrin Günzel, Kunstform International, Bd. 275, Juni-Juli 2012, Utopia, Weltentwürfe und Möglichkeitsräume in der Kunst, S. 87)
2 Ebd, S.68
3 „Es ist besser, das kleinste Licht anzuzünden, statt sich über die Dunkelheit zu ärgern.“ Hans Jürgen Müller, 1992, in: Kunstforum Bd. 275, ein Interview von Ann-Kathrin Günzel mit Helga Müller über das Projekt Atlantis-Mariposa
4 In Anlehnung an den Text: Social Design, Partizipation and empovernment, Museum für Gestaltung, Zürich, Lars Müller Publishers, 2018
5 Die Zeit, 10. Juni 20q1, ‚Verschwendung ist so schön‘, Hanno Rautenberg